Tante Hedwig

Bewaffnet mit Riffs und Licks die abwechselnd nach Black Sabbath, Jimi Hendrix Experience, Led Zeppelin und Cream klingen rufen die oftmals auch zarteren Folktönen frönenden Waldviertler von Tante Hedwig zum Protest auf. In einer der letzten FALTER-Ausgaben ging Gastkommentator Paul Buschnegg (Pauls Jets) der Frage nach wieso es so wenige coole Songs der Klimabewegung gäbe. Voillà: Tante Hedwig liefern nun genau das ab. Mehr dazu im Indiecharts-Interview...

Wann haben sich Tante Hedwig gegründet, wie lief das damals ab wie ihr zusammengefunden habt?

 2020, kurz vor dem ersten Corona bedingten Lockdown. Eisi wollte damals mit seinen besten Freunden eine Band gründen. So weit so unspektakulär. Bis auf die kleine Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt keiner der anderen ein Instrument beherrschte. Den Lockdown nutzte Eisi schließlich, um ein ganzes Album (Mitnichten) im Alleingang aufzunehmen, das im Dezember 2020 erschien. Danach bekam quasi jeder ein Instrument in die Hand gedrückt und los ging’s mit den Proben. Mehr Punk Attitüde geht nicht. 

Wie ging es dann weiter? 

Vier Monate später gab es den ersten kleinen Gig. Sozusagen der Sprung ins kalte Wasser. Danach hat alle das Bandfieber gepackt - und es wurde geprobt, geprobt und geprobt. 2022 spielten wir schließlich am Waidhofner Musikfest - am selben Tag wie Vodoo Jürgens. Für uns bedeutete das: Von 0 auf 100 in einem Jahr. 

Ihr betont gern, auch in euren Songs, eure Heimat Waldviertel. Was bedeutet euch das Waldviertel?

Mal abgesehen von unserem Neuzugang Hörmal sind wir alle im nördlichen Waldviertel aufgewachsen. Viele von uns lebten dann lange Zeit in Wien, bis wir vor einigen Jahren mit Kind und Kegel aufs Land zurückgezogen sind. Back to nature - gemeinsame Abende am Lagerfeuer, Schwammerlsuchen oder Frösche fangen mit den Kids - was gibts Schöneres. Und der Umstand, dass das Waldviertel von der Politik stiefmütterlich behandelt wird und strukturell vieles im Argen liegt, scheint uns noch enger mit diesem geografischen Underdog zu verbinden.

Auch die Texte in der euch heimischen Mundart stechen heraus. Macht’s einfach mehr Spaß auf waldviertlerisch als auf englisch oder hochdeutsch? 

Wir fühlen uns mit unserer „Ursprache“ einfach am wohlsten. Geschichten lassen sich wunderbar und authentisch erzählen. Wir merken, dass Menschen sich damit identifizieren und dass wir mit unseren Texten berühren können. Das Schönste: Ein Publikum, dass mittlerweile bei vielen Songs mitsingt. 

Was hat euch veranlasst einen Song für die Klimaschutzbewegung zu schreiben. Gab es einen Moment der das Fass für euch zum Überlaufen gebracht hat?

Das beginnt beim Versagen der Politik, die im Populismus versinkt. Dabei müssten sich z. B. rechtspopulistische Parteien paradoxerweise mit aller Kraft für den Klimaschutz einsetzen - schließlich bringt der Klimawandel für viele Menschen eine unbewohnbare, weil zu heiße Heimat - mit der logischen Konsequenz, dass diese Menschen in "kühlere" Gegenden fliehen müssen, wenn sie überleben wollen. Wer also keine Ausländer haben möchte, sollte sich dafür einsetzen, dass das Ausland bewohnbar bleibt. Schon klar, ohne gemeinsamen Feind, der die Grenzen bedroht, hätte diese ansonsten inhaltsleere Politik keinen Nährboden. Das Bittere dabei: Wir leben am Land, viele Menschen leben dort von der Natur oder leben dort, wegen der Natur. Und den Klimawandel kann auch im Waldviertel  niemand leugnen. Auch hier häufen sich Wetterextreme. Dennoch wählen 3/4 der Bevölkerung eine klimaschutzfeindliche Politik. Zudem scheint es so, als hätten wir mit der "echten" Welt ohnehin schon abgeschlossen - wir schauen den halben Tag ins Handy. Stecken den Kopf also in den digitalen Sand. Die heile Welt gibt es offenbar nur noch auf Tiktok und Instagram. Also da gibt es schon ein paar Gründe, um das Thema zu vertonen.

Euer Debütalbum „Mitnichten“ ist 2020 erschienen. Wann gibt es ein neues; ist „Gfrei die auf`d Future“ schon ein erster Vorbote aufs neue Album, und was kann man sich davon sonst noch so erwarten stilistisch und thematisch?

Ja, das ist der erste Vorbote. Unser nächstes Album ist für 2024 geplant. Thematisch wird es weniger Waldviertelbezug haben als unser erstes Album. Dafür gibt es aktuell zu viele Themen in der Welt, die man kritisch hinterfragen sollte. Das wird sich auch im Sound zeigen - er wird vielschichtiger, teils rockiger. Freilich wird es aber auch weiterhin Akustikballaden an der Lagerfeuergitarre geben. 

In eurem Werk finden sich einerseits wilde, stampfende 70s Rocker, aber andererseits auch schöne folkige Akustikballaden. Gibt’s da zwei unterschiedliche Songwriting-Fraktionen innerhalb von Tante Hedwig oder schlägt euer Herz einfach gleichermaßen für das harte wie das zarte?

Im Grunde sind wir Kinder der 90er. Bands wie Nirvana, die Lemonheads oder das reduzierte Songwriting von Sebadoh haben uns geprägt - und diese Musik bewegt sich wie eine alte Pendeluhr zwischen hart und zart. Dazu kommen noch Einflüsse von Bands wie Fleetwood Mac oder Neil Young. Und seit wir die Mundart für uns entdeckt haben, gibt es da natürlich auch heimische Einflüsse wie Willi Resetarits oder Ernst Molden. Und auch Ambros singt Moser läuft im Autoradio. 

Eure Videos spiegeln offenkundig euren Sinn für Humor wider. Wie passt das für euch zusammen - tiefsinnige Texte und humorvolle Videos? 

Wir halten es hier wie die Foo Fighters oder die Beatles. Humor und Ernsthaftigkeit schließen sich nicht aus. Schon gar nicht in Musikvideos. Und schließlich macht Humor vieles erträglicher. Zudem verkleiden wir uns für unser Leben gern. 

Wann und wo kann man Tante Hedwig in den kommenden Wochen und Monaten live erleben (Interview fand im Juni 2023 statt)?

Am 29. Juni spielen wir am Warming up Day in Waidhofen an der Thaya. Wer dort noch nicht war: es ist großartig - in der ganzen Stadt spielen Bands und die Innenstadt wird zu einem riesigen Festplatz. Am 23. Juli spielen wir am Wackelstein-Festival, wo auch die fantastische Ankathi Koi zu sehen sein wird. Den Herbst lassen wir uns noch ein wenig offen - schließlich wollen wir ja bald mal wieder ins Studio. 

Vielen Dank.



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